Tiberiuswallfahrt-Festgottesdienst mit Hauptzelebrant Pater Anselm Grün

Die Krippenspielverantwortlichen der Seelsorgeeinheit erhalten den Tiberiuspreis (Artikel und Bilder von Friedrich Hog, Schwäbische Zeitung, erschienen am 12.11.2022).

Foto: Friedrich Hog, Schwäbische Zeitung, (c) 2022

Wie jedes Jahr am 10. November wurde im Obermarchtaler Münster auch diesen Donnerstag die Wallfahrt zum Hl. Tiberius gefeiert, ausführlich eingeläutet von den 12 historischen Glocken des Münsters. Die Wallfahrt ist stets ein großer Tag für Obermarchtal und seine Umgebung. Hauptzelebrant war der vielleicht bekannteste Theologe aus dem deutschsprachigen Raum, der 77-jährige Buchautor, Betriebswirt und Benediktinerpater Anselm Grün aus der Abtei Münsterschwarzach. In guter Tradition hat Pfarrer Gianfranco Loi auch dieses Jahr den Tiberiuspreis verliehen. Preisträger waren die Krippenspielverantwortlichen der Seelsorgeeinheit Marchtal.

Das Obermarchtaler Münster war am Donnerstag voll besetzt, einschließlich der Emporen, als die Geistlichen und ihre Ministranten Einzug hielten. Vertreter der Freiwilligen Feuerwehr und der örtlichen Vereine waren mit ihren Fahnen am Einzug beteiligt. Münsterpfarrer Gianfranco Loi durfte unter den Konzelebranten u.a. Prälat Franz Glaser und den Untermarchtaler Spiritual Udo Hermann begrüßen, unter den anwesenden Diakonen war auch Prof. Wolfgang Urban aus Rottenburg, der im Vorfeld der Wallfahrt zum Thema „Bekennerbischof Johann Baptist Sproll, Martyria – Glaubenszeugnis in finsterer Zeit“ referiert hatte.

Pater Anselm, dem 2007 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen wurde, sprach im Hinblick auf den hl. Tiberius von Marchtal von einem jungen Mann, der seinen Glauben mit dem Leben bezahlt hat. „Als junger Mann war Tiberius vom Glauben fasziniert“, sagte Pater Anselm, und nahm Stellung zur Frage, wie wir heute den Glauben so verkünden können, dass wir ähnlich gerührt davon sind wie Tiberius, dass der Glaube unser Leben trägt. Pater Anselm sprach von Sehnsüchten, die viele Menschen begleiten, ohne dass die Kirche Antworten parat gehabt hätte, denn „den Glauben haben wir oft von oben herab verkündet, und nicht gefragt, was die Sehnsüchte der Menschen sind“.

Fünf Kernsehnsüchte hat Pater Anselm ausgemacht. Zunächst nannte er anhand der Frage, „wer bin ich?“, die Sehnsucht nach der Erkenntnis der eigenen Identität. Das Gefühl der Menschen, besser dastehen zu müssen als andere, mache sie unfrei. „Jesus sagt, ich bin ich selber“, stellte Pater Anselm in den Raum, und bezeichnete dies als Botschaft Gottes, die uns befreit von Rollen, die wir meinen, spielen zu müssen. Es folgte die Sehnsucht nach Freiheit. Auch wenn wir äußerlich frei sind, so Pater Anselm, schränke uns die Frage, was andere Leute von uns denken, erheblich ein, was uns erschöpft macht, und offensichtlich der Botschaft Gottes widerspricht. Sodann folgte die Sehnsucht nach Vertrauen. Hier nannte Pater Anselm fehlendes Selbstwertgefühl, und gab den Anwesenden für ihr Selbstwertgefühl mit auf den Weg, „ich bin wertvoll, wie ich bin, ich bin einmalig“. Das habe er Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei seiner Jugendarbeit in Münsterschwarzach jeweils mit auf den Weg gegeben, insbesondere anlässlich gemeinsamer Silvesterfeiern in der Abtei. „Lass den anderen mit seinen Stärken und Schwächen. So fühlen wir uns zugehörig“, fasste Pater Anselm zusammen. Die Sehnsucht nach Sinn im Leben erläuterte er anhand des Satzes, „wir haben genügend, wovon wir leben, aber nicht genügend, wofür wir leben“. Schließlich folgte in seiner ohne Skript gehaltenen Predigt die Sehnsucht nach Glück. „Glück“ definierte Pater Anselm als „Gelingen des Lebens“. Das hänge entscheidend davon ab, ob jemand in Einklang kommen könne mit sich selbst. „Der Glaube sagt, dass ich bedingungslos angenommen bin“, mit diesen Worten führte Pater Anselm zurück zum hl. Tiberius, der in jungen Jahren das Leben gelebt habe, und daher hätte loslassen können. Tiberius habe keine Angst vor dem Tod gehabt, da der Glaube ihn zum wahren Leben geführt habe, „der Tod kann uns nur verwandeln. Angst vor dem Sterben hat, wer noch nie gelebt hat“, so Pater Anselm.

Mit den Worten, „wir bitten den hl. Tiberius, dass er Ihren Glauben stärke“, beendete Pater Anselm seine Predigt, in der es ihm gelang, komplexe Sachverhalte auf ihre Kernpunkte herunterzubrechen, um sie dadurch allgemein verständlich darzustellen. Gemeinsam mit Pfarrer Loi segnete Pater Anselm Tiberiusmedaillen, Kerzen, Tiberiussprengerle, Tiberiusbüchlein, Tassen mit Motiv sowie Tiberiuswasser.

Den Tiberiuspreis erhielten dieses Jahr die Krippenspielverantwortlichen der Seelsorgeeinheit Marchtal. Für die Kirchengemeinde Obermarchtal waren dies Stefanie Munding, Sonja Schnitzer, Petra Siegle, Andrea Buck und Marion Zitterell, für die Kirchengemeinde Reutlingendorf Mirjam Nagler und Nadine Dolpp, für die Kirchengemeinde Untermarchtal Nadine und Wolfgang Merkle, Bettina Teschner sowie Carmen Härle, und für die Kirchengemeinde Neuburg Elke Zimmermann, Karin Jörg und Annika Schelkle. Den Tiberiusorden erhielt Schwester Brigitte Schleid aus Untermarchtal für ihr langjähriges Engagement in der Firmvorbereitung in der Seelsorgeeinheit Marchtal. Auch Pater Anselm erhielt aus den Händen von Pfarrer Gianfranco Loi einen Tiberiusorden. Frühere Träger des Tiberiuspreises waren u.a. die Untermarchtaler Vinzentinerinnen für die Ausrichtung des Jugendtags, die Gründer der Obermarchtaler GoDi-Gruppe sowie die Jugend 2000 Oberschwaben. Pfarrer Loi sagte über die diesjährigen Preisträger, „das Krippenspiel bringt uns das Mysterium von Weihnachten näher“.

Autor Prof. Hans-Otto Mühleisen stellte den neuen Münsterführer vor, ein Büchlein, in dem u.a. auf die Besonderheiten der Kanzel eingegangen wird, oder auf das Bild an der Rückwand vom hl. Tiberius, wie er schützend seine Hand über Obermarchtal hält. Am Ende der Tiberiuswallfahrt erhielten die Anwesenden von den Diakonen einen Einzelsegen mit der Tiberiusreliquie. Musikalisch begleitet wurde die diesjährige Tiberiuswallfahrt vom Projektchor unter der Leitung von Gregor Simon. (Friedrich Hog)